von Kreisarchivar Dr. Edwin Ernst Weber
Der Baukomplex des heutigen Landratsamtes hat in seinen ältesten Bestandteilen eine Geschichte von mittlerweile mehr als 170 Jahren. Von 1847 bis 1979 dienten die Gebäude für die Krankenpflege und Altenversorgung zunächst des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen und in der Folge der gesamten Hohenzollerischen Lande. Nach der Auflösung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses und der Inbetriebnahme des neuen Kreiskrankenhauses Sigmaringen auf dem Dettinger Berg 1979 wurde das historische Hauptgebäude nebst drei Nebengebäuden umgebaut und 1982/82 von der Landkreisverwaltung bezogen.
Ausgehend von der mit der Stiftung verknüpften Zweckbestimmung war das Landesspital bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine multifunktionale Einrichtung: Zum einen und zunächst eher im Hintergrund stehend stationäres Allgemeinkrankenhaus, zum anderen "Landesirrenanstalt", zum dritten Isolierstation für ansteckende Krankheiten und schließlich auch Alten- und Pfründnerheim. Trotz seiner imposanten äußeren Dimensionen kam das Krankenhaus bis weit in das 20. Jahrhundert hinein mit einem ausgesprochen bescheidenen Personalbestand aus. 1912 waren in der gesamten Anstalt gerade einmal drei Ärzte, 22 Ordensschwestern und einige männliche Krankenpfleger für die Psychiatrie tätig. Zum Vergleich: 1979 beim Umzug in das neue Kreiskrankenhaus wurden acht Chefärzte, zehn Oberärzte, 29 Assistenzärzte und mehrere Medizinalpraktikanten gezählt.
Abb. 1 Das neu errichtete Landesspital, überragt vom benachbarten Schloss Sigmaringen, lavierte Bleistiftzeichnung von Eduard Pape, 1850 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Meilensteine bei der Umgestaltung des Hauses in eine moderne Krankenanstalt sind die Ausweitung des fachärztlichen Dienstes mit der Einrichtung von Fachabteilungen in den 1920/30er Jahren und dann verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der grundlegende Aus- und Umbau 1929/30 mit der Einrichtung neuer Operationsräume, eines Röntgenraums, einer Entbindungsabteilung und eines neuen Ambulanzbereichs. Nahezu zeitgleich, 1928/29, wurden die allermeisten Pfründner aus dem Landeskrankenhaus in das neuerrichtete Kreisaltenheim in Gammertingen verlegt.
Das mit Sicherheit düsterste Kapitel seiner langen Geschichte erlebte das Sigmaringer Krankenhaus während des Dritten Reiches, als zunächst zwischen 1934 und 1942 mehr als 100 vorgeblich "erbkranke" Männer aus ganz Hohenzollern und angrenzenden Orten im Landeskrankenhaus zwangsweise unfruchtbar gemacht und sodann 1940/41 90 der seinerzeit 213 Patienten der Psychiatrieabteilung als "lebensunwert" in den Tötungsanstalten Grafeneck bei Münsingen und Hadamar bei Limburg ermordet wurden. Seit 2005 erinnert ein mittlerweile unterhalb des Landratsamt-Erweiterungsbaus gelegener, von Christoph Stauß künstlerisch gestalteter Gedenkstein an dieses Verbrechen und seine Opfer.
Abb. 2 Das Fürst-Carl-Landeskrankenhaus Sigmaringen mit seinen zahlreichen Gebäuden 1979 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Neben bzw. im rückwärtigen Anschluss an das 1847 in Betrieb genommene Hauptgebäude entstanden in den Jahrzehnten bis zum Ersten Weltkrieg eine Vielzahl von Erweiterungsbauten: Das Josefshaus südlich des Hauptgebäudes, die beiden Baracken St. Anton (Infektionsbaracke) und Maria Hilf (errichtet als chirurgische Baracke, seit 1931 Kinderabteilung), das backsteinerne Wirtschaftsgebäude mit der 1936 errichteten modernen Heizanlage und schließlich im rückwärtigen Teil des fünf Hektar großen, eingezäunten Anstaltsgeländes die Psychiatriegebäude St. Johann, Engelsburg, St. Vinzentius und St. Anna sowie die hauseigene Landwirtschaft und Gärtnerei mit mehreren Bauten. Als letzter Bau kam 1962 am östlichen Rand des Anstaltsgeländes eine Krankenpflegeschule mit Schul-, Internats- und Gemeinschaftsräumen hinzu.
Nachdem 1963 die Verwaltung der Krankenhausstiftung vom Landeskommunalverband auf den Landkreis Sigmaringen übergegangen war, blieb noch über Jahre hinweg der Standort für den nunmehr anstelle einer bloßen Erweiterung der alten Anstalt in Auge gefassten Neubau strittig. Erst nach teilweise heftigen Kontroversen wurde die Errichtung des neuen Krankenhauses auf dem "Dettinger Berg" beschlossen, Baubeginn war schließlich im Februar 1974. Die feierliche Einweihung des 103 Millionen Mark teuren Neubaus (weitere 10 Millionen Mark kosten die Personalbauten) fand im Februar 1979 statt; gleichzeitig hörte der Krankenhausbetrieb nach nahezu 132 Jahren in den Gebäuden des alten Stiftungskrankenhauses auf.
Abb. 3 Der im Anschluss an das klassizistische Hauptgebäude errichtete moderne Erweiterungsbau des Landratsamtes von 2014 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Mit der Eingliederung zahlreicher bisheriger staatlicher Sonderbehörden in das Landratsamt 2005 verdoppelte sich dessen Mitarbeiterzahl und reichte der in den früheren Krankenhausgebäuden vorhandene Platz für die Landkreisverwaltung nicht mehr aus. Nachdem bereits 1989 an der Stelle der früheren Krankenhaus-Landwirtschaft ein in seinem Erscheinungsbild an die benachbarten Altbauten angepasster Neubau für das damalige Verkehrsamt sowie das Kultur- und Archivamt erstellt worden war, wurde bis 2014 nördlich des Hauptgebäudes ein moderner, energieeffizienter Neubau errichtet und bis 2021 wird das Annahaus als Verwaltungsgebäude umgestaltet und erweitert. In den vom Landratsamt genutzten Gebäuden des ehemaligen Landeskrankenhauses sind einschließlich der errichteten Neubauten 2019 rund 800 Verwaltungsmitarbeiter in 23 Stabs- und Fachbereichen untergebracht.
Der Baukomplex des heutigen Landratsamtes hat in seinen ältesten Bestandteilen eine Geschichte von mittlerweile mehr als 170 Jahren. Von 1847 bis 1979 dienten die Gebäude für die Krankenpflege und Altenversorgung zunächst des Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen und in der Folge der gesamten Hohenzollerischen Lande. Nach der Auflösung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses und der Inbetriebnahme des neuen Kreiskrankenhauses Sigmaringen auf dem Dettinger Berg 1979 wurde das historische Hauptgebäude nebst drei Nebengebäuden umgebaut und 1982/82 von der Landkreisverwaltung bezogen.
Multifunktionales Landesspital
Die Anfänge gehen auf das Jahr 1847 zurück, als nach dreijähriger Bauzeit am Mühlberg, auf der Schloss Sigmaringen gegenüberliegenden Donauseite, das in klassizistischem Stil gehaltene dreigeschossige Landesspital eröffnet wurde. Die Entstehung des Krankenhauses war in allererster Linie Stiftungen des fürstlichen Hauses Hohenzollern-Sigmaringen und hier zumal des damaligen Erbprinzen und späteren regierenden Fürsten Carl zu verdanken, nach dem das Krankenhaus seit 1857 dann auch benannt wurde: Fürst-Carl-Landesspital bzw. Fürst-Carl-Landeskrankenhaus.Ausgehend von der mit der Stiftung verknüpften Zweckbestimmung war das Landesspital bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eine multifunktionale Einrichtung: Zum einen und zunächst eher im Hintergrund stehend stationäres Allgemeinkrankenhaus, zum anderen "Landesirrenanstalt", zum dritten Isolierstation für ansteckende Krankheiten und schließlich auch Alten- und Pfründnerheim. Trotz seiner imposanten äußeren Dimensionen kam das Krankenhaus bis weit in das 20. Jahrhundert hinein mit einem ausgesprochen bescheidenen Personalbestand aus. 1912 waren in der gesamten Anstalt gerade einmal drei Ärzte, 22 Ordensschwestern und einige männliche Krankenpfleger für die Psychiatrie tätig. Zum Vergleich: 1979 beim Umzug in das neue Kreiskrankenhaus wurden acht Chefärzte, zehn Oberärzte, 29 Assistenzärzte und mehrere Medizinalpraktikanten gezählt.
Abb. 1 Das neu errichtete Landesspital, überragt vom benachbarten Schloss Sigmaringen, lavierte Bleistiftzeichnung von Eduard Pape, 1850 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Allmähliche Entstehung einer modernen Krankenanstalt
Hinter dieser enormen Ausweitung des medizinischen Fachpersonals verbirgt sich die tiefreichende Umgestaltung des Landesspitals von einer weitgehend auf die Pflege und Unterbringung von Behinderten, Alten und chronisch Kranken beschränkten Einrichtung mit nur bescheidenen medizinischen und zumal operativen Möglichkeiten zum modernen, leistungsfähigen Krankenhaus. 1880 wurde die erfolgreiche Amputation eines Oberschenkels noch als besonderes Ereignis erwähnt. 1920 wurden im Landesspital bereits 70 Operationen ausgeführt, Ende der 1970er Jahre waren es im Schnitt pro Jahr etwa 3200 operative Eingriffe.Meilensteine bei der Umgestaltung des Hauses in eine moderne Krankenanstalt sind die Ausweitung des fachärztlichen Dienstes mit der Einrichtung von Fachabteilungen in den 1920/30er Jahren und dann verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg sowie der grundlegende Aus- und Umbau 1929/30 mit der Einrichtung neuer Operationsräume, eines Röntgenraums, einer Entbindungsabteilung und eines neuen Ambulanzbereichs. Nahezu zeitgleich, 1928/29, wurden die allermeisten Pfründner aus dem Landeskrankenhaus in das neuerrichtete Kreisaltenheim in Gammertingen verlegt.
Das mit Sicherheit düsterste Kapitel seiner langen Geschichte erlebte das Sigmaringer Krankenhaus während des Dritten Reiches, als zunächst zwischen 1934 und 1942 mehr als 100 vorgeblich "erbkranke" Männer aus ganz Hohenzollern und angrenzenden Orten im Landeskrankenhaus zwangsweise unfruchtbar gemacht und sodann 1940/41 90 der seinerzeit 213 Patienten der Psychiatrieabteilung als "lebensunwert" in den Tötungsanstalten Grafeneck bei Münsingen und Hadamar bei Limburg ermordet wurden. Seit 2005 erinnert ein mittlerweile unterhalb des Landratsamt-Erweiterungsbaus gelegener, von Christoph Stauß künstlerisch gestalteter Gedenkstein an dieses Verbrechen und seine Opfer.
Das Landeskrankenhaus als stetige Baustelle
Das Fürst-Carl-Landeskrankenhaus war in den 132 Jahren seines Bestehens eine stetige Baustelle. Die kontinuierlich zunehmende Zahl an Aufgaben, Mitarbeitern und Patienten sowie der rasante medizinisch-technische Wandel zwangen zu einer beständigen Erweiterung und Modernisierung der Anstalt. Seit den 1850er Jahren verging mit Ausnahme der Weltkriegsjahre kein Jahrzehnt ohne die Neuerrichtung oder die grundlegende Umgestaltung größerer Baulichkeiten.Abb. 2 Das Fürst-Carl-Landeskrankenhaus Sigmaringen mit seinen zahlreichen Gebäuden 1979 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Neben bzw. im rückwärtigen Anschluss an das 1847 in Betrieb genommene Hauptgebäude entstanden in den Jahrzehnten bis zum Ersten Weltkrieg eine Vielzahl von Erweiterungsbauten: Das Josefshaus südlich des Hauptgebäudes, die beiden Baracken St. Anton (Infektionsbaracke) und Maria Hilf (errichtet als chirurgische Baracke, seit 1931 Kinderabteilung), das backsteinerne Wirtschaftsgebäude mit der 1936 errichteten modernen Heizanlage und schließlich im rückwärtigen Teil des fünf Hektar großen, eingezäunten Anstaltsgeländes die Psychiatriegebäude St. Johann, Engelsburg, St. Vinzentius und St. Anna sowie die hauseigene Landwirtschaft und Gärtnerei mit mehreren Bauten. Als letzter Bau kam 1962 am östlichen Rand des Anstaltsgeländes eine Krankenpflegeschule mit Schul-, Internats- und Gemeinschaftsräumen hinzu.
Der lange Weg zum Kreiskrankenhaus
Trotz dieser stetigen Bautätigkeit genügte die vorhandene Anlage seit den 1950er Jahren den sich rasant wandelnden medizinisch-technischen Anforderungen immer weniger. Bereits seit 1950 wurde eine grundlegende bauliche Erweiterung des Krankenhauses diskutiert und wurden immer wieder neue Planungen und Kostenkalkulationen angestellt. Die Umsetzung ließ indessen nahezu drei Jahrzehnte auf sich warten, da die krankenhauspolitischen Interessen der drei am Stiftungskrankenhaus beteiligten Institution, des Landeskommunalverbandes sowie der beiden hohenzollerischen Landkreise Sigmaringen und Hechingen, nicht auf einen Nenner zu bringen waren.Nachdem 1963 die Verwaltung der Krankenhausstiftung vom Landeskommunalverband auf den Landkreis Sigmaringen übergegangen war, blieb noch über Jahre hinweg der Standort für den nunmehr anstelle einer bloßen Erweiterung der alten Anstalt in Auge gefassten Neubau strittig. Erst nach teilweise heftigen Kontroversen wurde die Errichtung des neuen Krankenhauses auf dem "Dettinger Berg" beschlossen, Baubeginn war schließlich im Februar 1974. Die feierliche Einweihung des 103 Millionen Mark teuren Neubaus (weitere 10 Millionen Mark kosten die Personalbauten) fand im Februar 1979 statt; gleichzeitig hörte der Krankenhausbetrieb nach nahezu 132 Jahren in den Gebäuden des alten Stiftungskrankenhauses auf.
Aus dem Landeskrankenhaus wird das Landratsamt
Nach dem Grundsatzbeschluss des Kreistags im Februar 1981 wurde der zusammenhängende Komplex von Haupt-, Josefs- und Wirtschaftsgebäude sowie die ehemalige Kinderstation Maria Hilf für die Bedürfnisse der Landkreisverwaltung umgebaut. Die ehemalige Hauskapelle wurde in mühevoller Kleinarbeit restauriert und dient seither als Veranstaltungs- und Sitzungsraum. Die Gesamtkosten des Umbaus betrugen rund 14 Millionen DM. Die Nebengebäude Annahaus und Engelsburg blieben in der Obhut des Kreiskrankenhauses, ersteres als psychiatrische Pflegeabteilung, im Vinzenzhaus errichtete der DRK-Kreisverband seine Rettungsleitstelle und seine Geschäftsstelle.Abb. 3 Der im Anschluss an das klassizistische Hauptgebäude errichtete moderne Erweiterungsbau des Landratsamtes von 2014 (Vorlage: Kreisarchiv Sigmaringen)
Mit der Eingliederung zahlreicher bisheriger staatlicher Sonderbehörden in das Landratsamt 2005 verdoppelte sich dessen Mitarbeiterzahl und reichte der in den früheren Krankenhausgebäuden vorhandene Platz für die Landkreisverwaltung nicht mehr aus. Nachdem bereits 1989 an der Stelle der früheren Krankenhaus-Landwirtschaft ein in seinem Erscheinungsbild an die benachbarten Altbauten angepasster Neubau für das damalige Verkehrsamt sowie das Kultur- und Archivamt erstellt worden war, wurde bis 2014 nördlich des Hauptgebäudes ein moderner, energieeffizienter Neubau errichtet und bis 2021 wird das Annahaus als Verwaltungsgebäude umgestaltet und erweitert. In den vom Landratsamt genutzten Gebäuden des ehemaligen Landeskrankenhauses sind einschließlich der errichteten Neubauten 2019 rund 800 Verwaltungsmitarbeiter in 23 Stabs- und Fachbereichen untergebracht.