Die seelische Entwicklung

Nach der Geburt braucht Ihr Kind erst einmal etwas Zeit, um anzukommen und sich mit seinem Körper und der neuen Umgebung vertraut zu machen. Es ist schließlich plötzlich alles ganz anders: Jetzt muss der Säugling eigenständig atmen, seine Körpertemperatur regulieren und auch das Verdauungssystem muss sich anpassen. Und dann ist da ja noch die Sache mit einem stabilen Schlaf- und Wachrhythmus, den es erst einmal zu finden gilt.  Außerdem lernt das Baby in dieser Zeit auch, sich mehr und mehr selbst zu beruhigen.

Sie sehen es schon: Dieses Einpendeln, Ankommen und Einfinden ist für das Kleine eine riesengroße Entwicklungsaufgabe. Manchmal gelingt diese besser und manchmal weniger gut, was Ihr Baby dann durch Quengeln und Schreien ausdrückt. So kommuniziert es sein Unwohlsein und gerade in den ersten Lebensmonaten ist das Weinen mit einer starken inneren Aufregung verbunden, aus der das Baby alleine oft nicht herauskommt. Manche Babys weinen sehr viel und lassen sich nur schwer beruhigen, was auch bei den Erwachsenen an die Substanz gehen kann.
Aber weinende Babys brauchen Bezugspersonen, die einfühlsam und zuverlässig reagieren: Das gibt Halt und Ihr Kind lernt, sich mit der Zeit selbst zu beruhigen, zu entspannen und sich wohl zu fühlen.

Apropos wohlfühlen: Gefühle wie Liebe, Angst, Erleichterung oder Ärger kennt ein Neugeborenes noch nicht. All diese Emotionen entwickelt es erst mit der Zeit und mit seiner geistigen Reife – und auch durch die Interaktion mit anderen Menschen. Am Anfang ist da zunächst nur Wohlgefühl oder Unbehagen. Im Grunde ist es ganz einfach: Wenn Sie sich freudig mit Ihrem Baby unterhalten oder mit ihm spielen, kann es Ihren fröhlichen Gesichtsausdruck wahrnehmen und fühlt sich ebenfalls wohl.  Denn anfangs lässt sich das Baby noch leicht von Ihren Emotionen „anstecken“ und passt sich selbst den leisesten Gefühlsregungen an. 

Ein erstes Lächeln wird Ihnen Ihr Kind frühestens ab der sechsten Woche schenken. Mit ungefähr drei Monaten kann es dann auch zwischen vertrauten und fremden Gesichtern unterscheiden – und wird seine Eltern vermutlich eher anlächeln als fremde Personen. An diesem Lachen können Sie immer erkennen, ob sich das Baby wohlfühlt. Wenn es ihm gut geht, wird es jetzt strahlen. 
 

Die gemeinsame Reise entwickelt sich langsam zur Expedition: Der kleine Mensch erforscht seine Umwelt mit einer ungeheuren Neugier. Er will am Familienleben teilhaben und mittendrin sein. Wenn Sie das Kind auf eine Decke im Wohnzimmer legen, werden Sie sehen, mit welcher Freude es das Geschehen beobachtet. 
   
Woran Sie erkennen können, ob Ihr Kind vertraute und fremde Personen langsam voneinander unterscheiden kann? Es begrüßt seine Eltern und Geschwister freudig, lächelt und strampelt wild, wenn es eine Bezugsperson sieht. Fremden gegenüber ist es zurückhaltender und beginnt vielleicht zu "fremdeln". Das bedeutet: Besuch wird nicht mehr automatisch angelächelt oder vielleicht sogar mit Weinen begrüßt. Vor allem dann, wenn Mama oder Papa nicht in Sichtweite sind. So kann es schon einmal passieren, dass das Baby die Großeltern nicht erkennt, wenn diese nur selten zu Besuch kommen. Auch wenn diese dann vielleicht etwas enttäuscht sind, wenn das Enkelkind zur Begrüßung nicht freudig juchzt: Diese Entwicklung ist ganz normal und wichtig für das Baby.

Auf welche Entdeckungsreise sich Ihr Kind aber auch begibt, noch will es immer wieder zu Ihnen zurückkehren. Nachdem es kurz geschmust und Nähe getankt hat, kann es wieder los gehen. Diese Rückversicherung ist jetzt sehr wichtig. Die Welt ist schließlich groß und unbekannt und das Gefühl, dass seine Eltern in der Nähe sind, gibt Ihrem Baby auf seinen Forschungsreisen Sicherheit. Sie sind der sichere Hafen, von dem aus es immer wieder zu neuen Abenteuern aufbricht.

Wichtig zu wissen, bevor wir uns nun die geistige und motorische Entwicklung im ersten Jahr ansehen: Alle Entwicklungsschritte sind immer verbunden mit der emotionalen Bindung an die Bezugspersonen und den anregenden Austausch mit ihnen. Dabei bedingen sich alle Entwicklungsschritte gegenseitig und können nie getrennt voneinander betrachtet werden.