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Michael Skuppin: Bloß sterba muaß jeder alloi – 041


Evelyn Kraßmann, unsere niedersächsische Volontärin beim Kreiskultur- und Archivamt Sigmaringen, hat sich der Herausforderung gestellt, das Dialektlied ins Hochdeutsche zu übertragen und damit auch den nicht der Mundart mächtigen Leserinnen und Lesern einen Zugang zu ermöglichen.

Bloß sterba muaß jeder alloi

von Michael Skuppin
 
I hock etz dahoim, komm vo do grad it fut,
S’isch koiner vo uns auf seim Weag.
Viele Plä, viele Gschäft, dia gont grad kaputt.
I wüsst zu gern, wa no vor uns läg.
I frog me grad oft, wa des soll ond wozua
Dia Krise uns beitlat ond schlait?
Se vertreibt uns aus Sicherheit ond unsrer Ruah,
Ond jeder wird auf sich zruck keit.
Jo s’erscht mol bassiert’s ons im Leaba als Mensch,
Jo so ebbes isch no nia do gsei,
Ond de oinzig Sicherheit, dia’d etz no fendsch,
Isch: bloß sterba muaß jeder alloi, alloi, alloi, alloi,
Sterba muaß jeder alloi.
 
Jo s’Leaba bei null – es goht langsam zua,
Statt Urlaub hockt jeder dahoi.
Ma bangat ond hofft, es dät oim nix doa,
Ond watat, dass d’Zeit goht vorbei.
Doch klopft’s Virus an’d Dür en donkler Stond,
Kommt en’d Stuba oogfrogt plötzlich rei,
Schaffat’s  viele ond send irgendwann wieder gsond,
Ond für manche isch’s Leaba vorbei.
Jo koiner will ganga, fier jeden isch’s schwer,
Ma frogt sich bloß, muaß des etz sei?
Doch a Virus kennt Gnad it ond wuatat umher,
Ond sterba muaß jeder alloi, alloi, alloi, alloi,
Sterba muaß jeder alloi.
 
Jo a Liad etz zom Schreiba en der donkla Zeit
Isch a Sach, dia fällt mir scho arg schwer,
Ka für Morga nix saga ond leab bloß em heit
Ond woiß it, ob i morga dra wär.
Konnt der mit der Sensa, dann soll’s halt so sei
Doch bis do na gib i no it auf
Ond versuach, dass i mi no am Leaba frai
An der Sonn, an der Luft, dia i schnauf.
Jo der Dod soll no wata, der Dod great sei Zeit
S’Heit wird gfeiert, denn des muaß heit sei.
Lass `es Leaba ons feira, des ka ma zu zwoit,
Denn bloß sterba muaß jeder alloi, alloi, alloi, alloi,
Bloß sterba muaß jeder alloi.
 
Jo Frühling isch’s worra, ziaht Oschtra durchs Land,
Tulpa bliahat ond d’Bäum werrat grea.
Wia schee wär des etz – mir alle beianand -
Der Natur duss beim Wachsa zuaseah.
Doch druckt ons au etz a arg schwere Zeit,
Ond i triff koin, it Di ond it Di,
Do denk I an Ui ond i frai mi scho heit
Wenn i Ui alle ganz bald wieder sieh.
Isch’s etz au grad schwer, kommt ma einsam sich vor,
Sag i Ui, Noi! des muaß gar it sei!
S’geit für jeden irgendwia au a offanes Ohr,
Denn bloß sterba muaß jeder alloi, alloi, alloi, alloi,
Denn bloß sterba muaß jeder alloi.



Bloß sterben muss jeder allein

von Michael Skuppin, Übertragung ins Hochdeutsche von Evelyn Kraßmann
 
Jetzt sitz ich daheim, komm von dort gerade nicht fort,
`s ist keiner von uns auf seinem Weg.
Viele Pläne, viele Geschäfte, die gehen gerade kaputt.
Ich wüsst` zu gern, was noch vor uns liegt.
Ich frag` mich gerade oft, was das soll und wozu
die Krise uns beutelt und schlägt?
Sie vertreibt uns aus Sicherheit und unserer Ruh`,
Und jeder wird auf sich zurückgeworfen.
Ja, das erste Mal passiert`s uns im Leben als Mensch,
Ja, sowas ist noch nie da gewesen,
Und die einzige Sicherheit, die Du jetzt noch findest,
Ist: bloß sterben muss jeder allein, allein, allein, allein,
Sterben muss jeder allein.
 
Ja, das Leben bei Null – es geht langsam zu,
Statt Urlaub hockt jeder daheim.
Man bangt und hofft, dass es einem nichts tut,
Und wartet, dass die Zeit geht vorbei.
Doch klopft das Virus an die Tür in dunkler Stund`,
Kommt in die Stube ungefragt plötzlich rein,
Überstehen`s viele und sind irgendwann wieder gesund,
Und für manche ist das Leben vorbei.
Ja keiner will gehen, für jeden ist`s schwer,
Man fragt sich bloß, muss das jetzt sein?
Doch ein Virus kennt keine Gnade und wütet umher,
Und sterben muss jeder allein, allein, allein, allein,
Sterben muss jeder allein.
 
Ja, ein Lied jetzt zu schreiben in der dunklen Zeit
Ist [so] `ne Sache, die fällt mir schon sehr schwer,
Kann über Morgen nichts sagen und lebe nur im Heute
Und weiß nicht, ob ich morgen dran wär.
Kommt der mit der Sense, dann soll`s halt so sein
Doch bis dahin geb` ich noch nicht auf
Und versuch, dass ich mich noch am Leben freu`
An der Sonne, an der Luft, die ich atme.
Ja der Tod soll noch warten, der Tod kriegt seine Zeit
Das Heut` wird gefeiert, denn das muss heute sein.
Lasst uns das Leben feiern, das kann man [auch] zu zweit,
Denn bloß sterben muss jeder allein, allein, allein, allein,
Bloß sterben muss jeder allein.
 
Ja Frühling ist`s geworden, Ostern zieht durchs Land,
[die] Tulpen blühen und die Bäume werden grün.
Wie schön wäre das jetzt – wir alle zusammen –
Der Natur draußen beim Wachsen zuzusehen.
Doch drückt uns auch jetzt eine sehr schwere Zeit,
Und ich treff` keinen, nicht Dich und nicht Dich,
Doch denk` ich an Euch und ich freu` mich schon heut`
Wenn ich Euch alle ganz bald wieder seh`.
Ist`s jetzt auch besonders schwer, kommt man sich einsam vor,
Sag ich Euch, Nein! das muss gar nicht sein!
Es gibt für jeden irgendwie auch ein offenes Ohr,
Denn bloß sterben muss jeder allein, allein, allein, allein,
Denn bloß sterben muss jeder allein.
 

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Edwin Ernst Weber


Und hier die von Michael Skuppin selbst gefertigte Vertonung seines Liedes: